Natur
Zugvögel

Zugvögel

Vor 200 Jahren war die Forschung über Vögel noch rudimentär. Einige Vögel galten als Wetterpropheten, so zum Beispiel sollte das Pfeifen des Zaunkönigs den Regen verkünden. Dies hat ihm auch den Namen „Naßarsch“ eingebracht. Große Scharen von Seidenschwänzen, Bergfinken und Rotdrosseln kündigten böse Omen an und wurden daher auch als Totenvögel, Pestvögel oder Kriegsvögel bezeichnet. Es war unbekannt, wie viele Vögel den Winter verbringen. Das plötzliche Verschwinden von Kuckuck und Finken veranlasste die Menschen von damals zu denken, dass die Vögel sich im Winter in Mäuse verwandeln. Bei anderen Vögeln ging man davon aus, dass sie einen Winterschlaf hielten.

Am 21. Mai 1822 sorgte ein Weißstorch für Aufsehen. Der Reichsgraf Christian Ludwig von Bothmer war in der Nähe seines Schlosses bei Klütz, in Mecklenburg-Vorpommern gelegen, auf der Jagd. Er erlegte mit seinem Jagdgewehr einen Storch, in dessen Halsmitte ein 80 cm langer Pfeil steckte. Bei genauer Untersuchung stellte sich heraus, dass der Pfeil aus Afrika stammte. Damit wurde klar, dass einige Vögel im Winter weite Strecken fliegen, um im Süden zu überwintern. Mit der Zeit wurden weitere Fälle von Störchen mit Pfeilen im Hals bekannt. Der vom Reichsgraf erschossene Storch ging als „Rostocker Pfeilstorch“ in die Geschichte ein und kann in der zoologischen Sammlung in Rostock besichtigt werden.

Genauso wie Menschen haben auch die Vögel verschiedene Nahrungsgewohnheiten. Die Einen stehen auf Pflanzen, die Anderen mehr auf Insekten. Wenn es dann draußen langsam kalt wird, fangen die Insekten an, sich ein passendes Winterquartier zu suchen, das sie vor Regen, Schnee und Vögeln schützt. Die Winterquartiere sind zum Beispiel Holzspalten, Baumlöcher, hohle Pflanzenstängel oder Mauerritzen. In diesem Quartier verharren die Insekten bis es wärmer wird. Für die Insektenfresser unter den Vögeln bedeutet das, dass ihre Nahrungsgrundlage verschwindet und sie in Gebiete umziehen müssen in denen die Insekten noch aktiv sind. Auch für einige Pflanzenfresser ist das Nahrungsangebot im Winter nicht ausreichend und sie ziehen ebenfalls in den Süden. Es bleiben nur die Vögel hier, die besondere Anpassungsstrategien entwickelt haben, um dem kalten Winter zu trotzen. Das im Süden gelegene Winterquartier der Zugvögel ist für die Reisenden oft auch nur eine Notlösung, denn hier treffen sie auf eine Vielzahl ansässiger Vogelarten und müssen mit ihnen um Nahrung und Lebensraum konkurrieren. Geht es dann wieder auf den Frühling/Sommer zu, herrscht im Winterquartier oft Hitze und Trockenheit. Dies veranlasst die Zugvögel wieder, in die nahezu paradiesischen Lebensbedingungen des europäischen Sommers zu ziehen, denn hier gibt es genügend Nahrung und Nistplätze.

Einige Arten vermeiden auch die weiten Reisen und versuchen, sich an näher gelegenen Orten an neue Bedingungen anzupassen. Der Star ist beispielsweise ein solcher Teilzieher, der ein flexibles Zugverhalten zeigt. Manche Starenpopulationen fliegen im Winter sogar überhaupt nicht mehr in den Süden, sondern ziehen stattdessen in unsere Großstädte, die einige Grad wärmer sind als das Umland und wo sie ebenfalls Nahrung und gemütliche Quartiere finden.

Inzwischen konnten Wissenschaftler einiges mehr über Zugvögel herausfinden. So konnten zum Beispiel Wissenschaftler der University of California in Santa Cruz im Jahr 2006 datieren, dass eine Gruppe Dunkler Sturmtaucher 65.000 km in 200 Tagen zurücklegte. 2010 kam ein Forscherteam aus Grönland zu dem Ergebnis, dass Küstenseeschwalben jährlich Strecken von 80.000 km zurücklegen. Dies entspricht dem doppelten Umfang der Erde und ist die längste Tierwanderung, die bisher aufgezeichnet wurde. Im Durchschnitt legt eine Küstenseeschwalbe dann 520 km pro Tag zurück. Auch wurde bereits einiges über die Navigation der Zugvögel herausgefunden. Sie nutzen eine ganze Reihe von Orientierungshilfen und damit sind nicht Karte oder GPS gemeint. Tagsüber hilft ihnen der Stand der Sonne. Das besondere bei den Zugvögeln ist, dass sie die Polarisation des Sonnenlichtes sehen können. Das heißt, sie sehen mit ihren Augen die Schwingungsrichtung des Lichts. Das ermöglicht ihnen, auch an bewölkten Tagen den Stand der Sonne zu sehen. Manche Vogelarten fliegen wiederum lieber in der Nacht und da hilft ihnen, wie früher den Seefahren, der Sternenhimmel bzw. der Stand der Sterne am Himmel. Besonders hilfreich ist für die Vögel das Erdmagnetfeld. Damit können sie herausfinden ob es „polwärts“ oder „äquatorwärts“ geht. Jedoch gibt es um große Städte herum auf Grund von anthropogen genutzter elektromagnetischer Strahlung Irritationen bei der Erdmagnetfeld-Orientierung. Weiterhin merken sich die Vögel landschaftliche Elemente, wie z.B. große Berge, Seen, Flüsse etc. Diese Elemente helfen ihnen, die richtige Route zu nehmen. Dieses Wissen wird von Generation zu Generation weiter gegeben.

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